Das Ankommer-Programm von Social Impact will Geflüchteten auf dem Weg in den deutschen Arbeitsmarkt helfen und fördert dazu gezielt Projekte und Sozialunternehmen, die Lösungen für geflüchtete Menschen entwickeln. Im Interview erklärt die Projektleiterin Lina Raukamp, was Bewerber mitbringen müssen, wie das Stipendienprogramm abläuft und wo sie sich noch mehr Initiativen wünschen würde

Frau Raukamp, das Ankommer-Programm richtet sich an Gründer, Initiativen und Projekte, die geflüchtete Menschen als Zielgruppe haben und diese in Arbeit, Aus- oder Weiterbildung bringen wollen. Das ist ein Bereich, in dem es schon sehr viele Projekte und Förderungen gibt. Was macht Ankommer so besonders? 

Wir sprechen Gründer an, die mit Geflüchteten etwas schaffen wollen. Das schließt natürlich nicht aus, dass die Initiativen, die wir fördern, auch von Geflüchteten stammen. Was Ankommer außerdem auszeichnet ist, dass die Idee noch keinen ausformulierten Businessplan haben muss. Wir fangen schon bei der Ideenfindung an und überarbeiten die mit den Gründern zusammen. Wir setzen also sehr früh im Prozess an und nicht erst dann, wenn das Projekt schon besteht.

Und was bringt eine Förderung durch das Ankommer-Programm? 

Wir unterstützen die Gründer in der absoluten Startphase mit kostenlosen Arbeitsplätzen, Workshops, Coachings und Trainings. Das alles wird gefördert von der KfW-Stiftung, die Ankommer seit Beginn unterstützt. Die Projekte sollen ihre Ideen professionalisieren, ein Business Modell entwickeln und natürlich auch vom Social-Impact-Netzwerk profitieren. Gerade das Zusammenarbeiten mit und die gegenseitige Hilfe, Unterstützung und Motivation durch Gleichgesinnte im Coworkingspace wird von unseren Gründern immer wieder als besonders wichtig und hilfreich hervorgehoben.

Wie läuft der Auswahlprozess ab, wie kommt man in das Programm rein? 

Bis Ende November läuft die aktuelle Bewerbungsfrist für die Kohorte 2017/2018. Die Bewerbung läuft komplett online über einen Bewerbungsbogen ab. Unsere Jury trifft intern eine Vorauswahl von etwa 30 Bewerbern, die wir zu Gründerwerkstätten einladen. Dort werden die Ideen noch einmal überarbeitet und die Gründer feilen vor allem an ihren Präsentationen. In lokalen Pitches in unseres Social Impact Labs müssen sich die Teams dann gegeneinander durchsetzen, letztlich bleiben etwa 12 bis 14 Projekte übrig, die dann in die reguläre Förderung kommen.

Nach welchen Kriterien werden die Teams ausgewählt? 

Natürlich achten wir darauf, wie erfolgsversprechend eine Idee ist. Das heißt, wie realistisch, ausgereift und glaubwürdig ist die Idee. Wurde das Projekt schnell in zwei Stunden am Küchentisch überlegt oder weiß der Bewerber bereits, wen genau er wo ansprechen will, wie die konkrete Unterstützungsleitung aussieht, mit wem er zusammenarbeiten will, wie Umsatz generiert werden soll? Da es um die Förderung von Sozialunternehmen geht, spielen Umsetzbarkeit und Skalierung auch eine Rolle. Nachdem es sich bei „Ankommer. Perspektive Deutschland“ um ein Stipendienprogram mit speziellem Fokus handelt, achten wir natürlich bei der Auswahl der Projekte darauf, inwieweit das Vorhaben Arbeits- und Ausbildungsplätze sowie Qualifizierungsangebote für geflüchtete Menschen schafft. Und auch die Menschen hinter der Idee dürfen nicht vergessen werden. Verfügt der Bewerber bzw. sein Team über die notwendige Erfahrung, Qualifikation und ein Netzwerk, um das Vorhaben umzusetzen?

Wie sieht das Programm dann konkret aus? 

Zunächst stellen wir über acht Monate kostenlose Arbeitsplätze in unseren Coworking Spaces zur Verfügung. Während der Laufzeit des Stipendiums bekommen die Teams verschiedenste Kurse, mal einzeln, mal in der großen Gruppe. Da geht es um die unterschiedlichsten Themen, Fundraising, Rechtsberatung, Teambuilding, Netzwerkarbeit, Unternehmensstrategien. Zwischendurch werden die Ideen noch einem Idea Reframing und einem Iterationsworkshop unterzogen. Da geht es noch einmal darum, die eigenen Prozesse und Meilensteine gemeinsam mit Methoden des Design Thinking und der Arbeit am Business Model Canvas zu reflektieren. Wenn die Teams den Expert Check nach der Hälfte des Programms bestanden haben, wird das Stipendium mit dem Special Impact Award abgeschlossen, bei dem die Teams ein Preisgeld von 20.000 Euro gewinnen können. Die Verleihung findet voraussichtlich Mitte Oktober 2018 statt und bildet den Abschluss der Förderung im Ankommer-Programm.

Das wird dann schon der dritte Jahrgang im Ankommer-Programm. Hat sich seit dem Start etwas in der Art und Ausrichtung der Projekte geändert? 

Inzwischen melden natürlich viele Projekte Interesse an, die in ihrer Entwicklung schon weit fortgeschritten sind. Da geht es weniger darum, eine Idee umzusetzen, sondern sich weiter zu professionalisieren. Es kommen immer mehr Gründer auf uns zu und fragen uns, ob Ankommer in dem Fall auch etwas für sie ist und sie sich bewerben können.

Und was sagen Sie dann? 

Natürlich können sich auch bestehende Projekte bei uns bewerben. Aber wie gesagt: Wir richten uns ausdrücklich an junge Ideen, eine zehn Jahre alte Initiative ist bei uns sicher falsch aufgehoben.

Auf welche Projekte sind Sie denn besonders stolz? 

Da gibt es eine ganze Reihe, die zum Glück auch wirklich sichtbar sind. Das Nähprojekt „Stitch by Stitch“ aus Frankfurt hat beispielsweise den Gründerpreis der Stadt erhalten und war für den Deutschen Integrationspreis nominiert. CodeDoor bildet geflüchtete Menschen mit ehrenamtlichen IT-Experten zu Programmierern und Software-Entwicklern aus, stellt während dieser Zeit die Hardware und vermittelt sie nach Abschluss der acht- bis zehnmonatigen Ausbildung an Unternehmen. So erhalten die neu ankommenden Menschen einen Zugang zum Arbeitsmarkt und Unternehmen die Chance auf qualifizierte IT-Fachkräfte, die sie oft händeringend suchen. Und das „Sharehouse Refugio“ hat eine Marke gesetzt, wie gearbeitet werden kann. Hier in Berlin würde ich noch die „Bantabaa Fooddealer“ hervorheben, die die Geflüchteten wirklich dort abholen, wo sie sind – und sei es auf der Straße. So könnte ich noch ewig weitermachen und praktisch jedes unserer geförderten Projekte hervorheben, weil jedes auf seine ganz eigene Art und Weise einen Zugang zu Bildung und Beruf schafft.

Wie lange soll es Ankommer noch geben? Wäre es nicht schön, wenn es eine ausdrückliche Förderung solcher Projekte gar nicht mehr bräuchte? 

Wenn wir uns diese soziale Frage nicht mehr stellen müssten – dass geflüchtete Menschen hier möglichst gut aufgehoben und sozial integriert sind und Arbeitsplätze finden – dann wären wir natürlich superglücklich. Aber genau dieser Zugang zum Arbeitsmarkt ist das, womit sich die Politik seit Jahrzehnten unglaublich schwertut. Zwar wurden in den letzten Jahren einige Hürden abgebaut, viele Unternehmen scheuen aber nach wie vor die Bürokratie und die Herausforderung. Das wird uns in nächster Zeit weiter begleiten, ich glaube sogar stärker als bisher.

Wieso? 

Weil die vielen Menschen, die in den letzten beiden Jahren zu uns gekommen sind und sich inzwischen orientiert haben suchen jetzt erst recht nach Berufsperspektiven.

Gibt es einen Bereich, wo Sie vielleicht noch eine Initiative vermissen, wo Sie sehen, dass noch mehr getan werden muss? 

Wir von Social Impact freuen uns natürlich über jeden, der sich in dem Bereich und mit Geflüchteten engagieren will. Ich ganz persönlich würde mir wünschen, dass das Thema Erzieher*innenausbildung mehr Aufmerksamkeit erfährt, weil da wirklich alle Seiten von profitieren würden – zum einen, was die Integration angeht, aber auch die Lösung eines drängenden Fachkräftemangels. Das wäre eine unglaubliche Bereicherung.