Ein Raum, in dem sich syrische Brotbäcker, afghanische Künstler und deutsche Gemüsehändler treffen? Die KulturMarktHalle macht das möglich und unterstützt gleichzeitig geflüchtete Menschen bei der Unternehmensgründung
Für geflüchtete Menschen, die nach Deutschland kommen und arbeiten wollen, ist es oftmals eine große Hürde, sich selbstständig zu machen. Auch wenn sie in ihrem Heimatland jahrelang eine Bäckerei oder einen Friseursalon führten, sind sie mit komplizierter Bürokratie überfordert oder die deutschen Behörden erkennen ihre Qualifikationen erst gar nicht an. Ein Gründerteam aus Berlin möchte diese Hürde herabsetzen, indem sie Geflüchtete bei der Gründung unterstützen und ihnen einen Raum für die Umsetzung bieten – die KulturMarktHalle.
In Berlin-Pankow, in der Nähe von vier neuen Flüchtlingsunterkünften, soll die KulturMarktHalle eröffnet werden. Juliane Wolf, eine der Gründerinnen des Projekts, entschied sich mit ihrem Team bewusst für dieses Umfeld. „Viele Geflüchtete wohnen in Unterkünften in einer Nachbarschaft, die noch nie besonders durchmischt war“, erzählt Wolf.
Es fehle dort zum Beispiel an Cafés, wo man einfach mal einen Kaffee zusammen trinken könne. Für das Team war schnell klar, dass es hier einen Ort der Begegnung und des kulturellen Austauschs braucht. Wolf und ihre Mitstreiter stellten sich die Frage, wie man Menschen, die eventuell gar kein Interesse daran haben, aktiv Flüchtlinge kennenzulernen, trotzdem dazu bekommt, sich auf eine einfache Begegnung einzulassen.
Beim alltäglichen Begegnen
Aus diesem Problem entwickelte sich die Idee einer Markthalle – ein Ort, wo die ursprüngliche Nachbarschaft und Geflüchtete, die oftmals isoliert in ihren Unterkünften am Rande des Bezirks leben, ganz einfach beim Einkaufen zusammenkommen. „Das ist nichts, wo man sich erstmal engagieren muss, sondern es ist ein ganz alltägliches Bedürfnis“, sagt Wolf. Die Idee erweiterte sich um den Faktor Kultur. In der Markthalle sollen neben dem Marktgeschehen auch kulturelle Events mit Speisen, Musik, Tanz und Theater aus den verschiedenen Herkunftsländern stattfinden.
Die Markthalle soll nicht nur ein Ort für Nachbarn mit und ohne Fluchterfahrung sein, sondern Geflüchtete gleichzeitig aktiv mit einbinden, indem sie zum Beispiel ihre Kunst ausstellen oder ihren eigenen Marktstand eröffnen. „Es gibt im Kiez keine Läden, wo man halal oder koscher einkaufen kann“, erzählt Wolf. „Die Geflüchteten fahren in andere Stadtteile, um einzukaufen, weil sie ihre Gewürze oder ihr Fleisch nicht finden.“
Mit der KulturMarktHalle soll sich das ändern. „Uns kam dann die Idee: Warum die Leute das nicht einfach selber anbieten?“, erzählt Wolf. Geflüchtete werden in der Halle Lebensmittel oder Spezialitäten aus ihren Heimatländern anbieten können. Neben der Eröffnung der Markthalle als Begegnungsort ist die Unterstützung von Gründern und Künstlern das zweite Hauptanliegen des Teams.
Unterstützung auf dem Weg zur Selbstständigkeit
„Es gibt ganz viele Leute, die in ihren Heimatländern selbstständig gearbeitet haben, aber natürlich keine deutsche Ausbildung haben“, sagt Wolf. Wenn die Geflüchteten in Deutschland ankommen, stehen sie vor zu hohen bürokratischen Herausforderungen. Oft fehlen bestimmte Zertifikate, obwohl sie Qualifikationen aus ihrem Berufsfeld mitbringen. Das Projekt möchte deshalb Menschen mit Fluchthintergrund unterstützen, die hier ihren eigenen Marktstand eröffnen oder selbstständig als Künstler arbeiten wollen.
Das Team der KulturMarktHalle selbst wird dabei als Stipendiat des Programms „ANKOMMER. Perspektive Deutschland“ von Social Impact und der KfW Stiftung bei ihrer Arbeit professionell unterstützt. Dabei werden die innovativen Ansätze des Projekts KulturMarktHalle, die sich speziell an Menschen mit Fluchthintergrund richten, mithilfe eines interdisziplinären Expertenteams weiterentwickelt und in tragfähige unternehmerische Lösungen überführt.
Konkrete Umsetzung der Gründungsidee
Im Rahmen ihres ersten Pilot-Projekts „From Idea to Market“ unterstützt das Team der KulturMarktHalle ab Juli bereits Gründer mit Fluchterfahrung bei der konkreten Umsetzung ihrer Gründungsidee. Während der sechsmonatigen Projektphase werden die Gründer individuell begleitet und dabei unterstützt, aus ihrem „Business Model“ ein kleines Unternehmen beziehungsweise eine Selbstständigkeit zu machen.
Das Team der KulturMarktHalle arbeitet hierfür auch mit Kooperationspartnern zusammen, die bereits Programme für die Unterstützung bei Existenzgründungen von Migranten anbieten. Wolf umreißt es so: „Wir wollen erste Gründer unterstützen und ihnen auch unsere Netzwerke zur Verfügung stellen. Ziel ist für uns, auch auf längere Sicht in Kontakt zu bleiben und eine Community aufzubauen.“ Dieses Netzwerk soll sich langfristig gegenseitig unterstützen und dann auch in der KulturMarktHalle einen Ort zum Austausch und Arbeiten haben.
„Miteinander sprechen anstatt übereinander“
Die ehrenamtlichen Teammitglieder hinter der KulturMarktHalle arbeiteten alle bereits bei verschiedenen Projekten rund um die Unterstützung von Geflüchteten. Mit der Markthalle wird nun ein offener Ort des kulturellen Austauschs aufgebaut. „Rassismus und Diskriminierung können nur bekämpft werden, indem Menschen sich begegnen und miteinander sprechen anstatt übereinander“, sagt Wolf.
So geschieht es auch in ihrem Team, das aus Deutschen, Geflüchteten und anderen Migranten aus verschiedenen Ländern besteht. Es sei zwar im Moment noch schwierig, da sich viel um Planung und Organisation drehe, wie zum Beispiel das Schreiben einer Vereinssatzung. Aber „die Menschen, die sich für diesen planerischen Teil interessieren, die sind jetzt schon dabei“, so Wolf. Gemeinsam wollen sie die KulturMarktHalle als Verbindung von Kultur, internationalem Markt und Gründungsmöglichkeit für geflüchtete Menschen etablieren, um Begegnung zu fördern und Vorurteile abzubauen.