Es gibt viele Wege, Brücken zu bauen zwischen Menschen aus aller Welt – durch das gemeinsame Musizieren oder die geteilte Liebe zum Essen und Kochen zum Beispiel. Deutschlandweit haben junge Initiativen und Start-ups sich Modelle für eine tolerantere und offene Gesellschaft überlegt, in der auch geflüchtete Menschen die Chance haben, ihr Potenzial zu entfalten. Dafür wurden sie mit dem Stipendium ANKOMMER. Perspektive Deutschland ausgezeichnet
Die Flucht aus dem eigenen Heimatland ist eine extreme Erfahrung, die oft von traumatischen Erlebnissen begleitet wird. Doch auch nach der Ankunft in der neuen, noch fremden Heimat sehen die Geflüchteten sich mit weiteren Herausforderungen und Hürden konfrontiert: Wie soll man sich ein eigenes, selbstbestimmtes Leben aufbauen, wenn der Zugang zu Ausbildungs- und Arbeitsplätzen so schwierig ist? Wie kann man trotz kultureller und sprachlicher Differenzen sein Potenzial einbringen und damit Teil der Gesellschaft werden?
Ein Stipendium für gute Ideen – und für eine bessere Gesellschaft
An dieser Stelle setzt das Projekt Ankommer Perspektive Deutschland ein. Ankommer fördert die Entwicklung von innovativen Modellen, die nachhaltig dazu beitragen können, geflüchtete Menschen in die Gesellschaft zu integrieren. Mit dem Ankommer Stipendium unterstützen Social Impact und die KfW Stiftung jährlich mehrere Initiativen und Start-ups von Geflüchteten und für Geflüchtete. Dabei ist es nicht entscheidend, ob die Unternehmen bereits einen fertig ausgetüftelten Buisnessplan haben – das Stipendium wendet sich an Alle, die eine gute, tragfähige Idee haben, wie die gesellschaftliche und wirtschaftliche Teilhabe von geflüchteten Menschen gesichert werden kann, etwa durch den Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt.
Acht Monate lang können die Stipendiaten diese Idee in den Co-Working-Spaces der Social Impact Labs ausarbeiten. Außerdem erhalten sie ein umfassendes Qualifizierungsprogramm, können ihr Netzwerk ausbauen und sich für den Special Impact Award bewerben, der die Gewinner mit Startgeld für ihr Unternehmen auszeichnet.
Dieses Jahr geht das Stipendium in die dritte Runde – es wurden erneut zwölf Teams gewählt, die in den kommenden Monaten mit der Unterstützung von Ankommer daran arbeiten werden Perspektiven zu schaffen – Perspektiven für geflüchtete Menschen und für eine tolerante und vielfältige Gesellschaft der Zukunft.
Das sind die Ankommer 2017/18:
Bridges – Musik verbindet
Über 100 Musiker aus aller Welt hat Bridges bereits zusammengebracht, mit und ohne Flucht- oder Migrationshintergrund. Durch den interkulturellen Austausch entsteht eine neue, besondere Art der Musik, die bei den zahlreichen Konzerten der Bridges-Ensembles zu hören ist. Das Projekt schafft nicht nur einen Raum, in dem Musiker sich begegnen und voneinander lernen können, sondern auch Beschäftigungsmöglichkeiten: In den Ensembles und in musikpädagogischen Projekten finden viele Geflüchtete und Migranten eine Anstellung, bei der sie ihr musikalisches Talent ausleben können.
EED BE EED e.V.
„Eed be eed“ ist arabisch und bedeutet „Hand in Hand“. Die gleichnamige Multimedia-Journalismus-Plattform wird regelmäßig von arabischsprachigen Journalisten in Berlin mit Artikeln und Videobeiträgen bespielt. Und auch in gedruckter Ausgabe erscheinen ihre Arbeiten, wodurch sie einen Einstieg in die deutsche Medienlandschaft finden. Unterstützt werden auch junge, arabischsprachige Nachwuchs-Schreiber, die von professionellen Journalisten wichtiges Handwerkszeug erlernen und ihre Fähigkeiten auf Arabisch, Englisch und Deutsch ausbauen können. Eed be Eed unterstützt mit Kunst- und Kulturveranstaltungen Kreative aus der ganzen arabischen Welt und will unterrepräsentierten Stimmen in Berlin durch Kultur und Medien mehr Gehör verschaffen.
Girls for Girls
Von Frau zu Frau: viele geflüchtete Mädchen, die in Deutschland ankommen haben traumatische Erfahrungen gemacht und Gewalt erlebt. Girls for Girls stellt ihnen deutsche Tandem-Partnerinnen zur Seite, die ihnen helfen, sich in dem fremden Land zurecht zu finden und die alltäglichen und bürokratischen Hürden zu überwinden. Bei gemeinsamen, wöchentlichen Aktivitäten werden Stadterkundungen unternommen, Arzt- oder Behördentermine erledigt oder auch einfach mal gemütliche Kochabende veranstaltet. Bei allen Aktivitäten können die Frauen neue Verbindungen und Freundschaften knüpfen. Die jüngeren Mädchen werden außerdem in der „GfG-School“ in ihrer schulischen Laufbahn unterstützt.
Kreuzberger Himmel by Be an Angel
Bereits seit September 2015 begleitet „Be an Angel” geflüchtete Menschen und hilft ihnen beim Einleben in der neuen Heimat. Die Idee zu einem eigenen Restaurant entstand allerdings erst später. Im Kreuzberger Himmel sollen Menschen mit Fluchthintergrund einen (Wieder-) Einstieg in der Arbeitsmarkt finden und Berufsqualifizierungen erlangen. Das Ziel ist, dass sie ohne staatliche Hilfe selbstbestimmt leben können und durch die täglichen Aufgaben Sinn und Halt in ihrem Alltag finden. Im Kreuzberger Himmel stehen Genuss und Gleichheit an erster Stelle: ohne jegliche Diskriminierung und auf Augenhöhe soll dort gemeinsam gute Gastronomie gemacht werden.
Land der Kulturen
Wie fühlt es sich an sich einer neuen, völlig fremden Umgebung zurechtzufinden? Bei Land der Kulturen geht es um den Perspektivenwechsel: die Erfahrungen, die Menschen nach ihrer Flucht in Deutschland machen, sollen in einem interaktiven Parcours hautnah erlebbar gemacht werden. Schüler, Ehrenamtliche und alle anderen Interessierten können an dem Parcours teilnehmen, der von einem Team geflüchteter Experten entwickelt wurde. In dem sie den Menschen ermöglichen sich in ihre Lage hineinzuversetzen, wollen sie ihnen helfen Ängste und Vorurteile abzubauen. Außerdem wollen sie möglichst vielen anderen Geflüchteten die bezahlte Mitarbeit an ihrem Projekt ermöglichen und ihnen damit berufliche Perspektiven eröffnen.
MITmacher – Migration. Integration. Teilhabe.
MITmacher vermittelt Menschen mit Fluchterfahrung in ein ehrenamtliches Engagement. So können sie von Hilfeempfängern zu Hilfegebenden werden, ihre Sprachfähigkeiten verbessern und ihre Fähigkeiten sinnvoll in die Gesellschaft einbringen. Sie treten mit deutschen Muttersprachlern in Kontakt und können ihr gewohntes soziales Umfeld, das oft hauptsächlich aus anderen geflüchteten Menschen besteht erweitern. Neben den praktischen Erfahrungen im professionellen Umfeld, erhalten sie ein Netzwerk und ein Zertifikat, dass ihre Chance aus Ausbildungsplätze erhöht.
Perspektive @ Handwerk
Handwerksbetriebe tun sich zunehmend schwerer geeignete Auszubildende zu finden, dabei wird Nachwuchs dringend benötigt. Gleichzeitig sind viele junge Geflüchtete hochmotiviert und suchen nach einer Möglichkeit ihre Ressourcen nutzen und sich ein selbstbestimmtes Leben aufbauen zu können – nur die klassischen Zugangsvorraussetzungen für eine Ausbildung fehlen ihnen. Das Projekt „Perspektive @ Handwerk” will diese Lücke schließen. Die jungen Menschen mit Fluchthintergrund sollen ihre Fähigkeiten entdecken und an passende, ausbildende Handwerksbetriebe vermittelt werden. So erhalten nicht nur sie selber, sondern auch das aussterbende Handwerk eine neue Perspektive.
Praktee
Praktee richtet sich an junge geflüchtete Menschen zwischen 18 und 25 Jahren. Im Rahmen von berufsvorbereitenden Praktika sollen sie erste Erfahrungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt sammeln. Bevor sie ihr Prakitkum starten, nehmen sie an einem Workshop zum Thema Ausbildung und Berufseinstieg teil, in dem sie gezielt auf die Bewerbung und die Anforderungen der Arbeitswelt vorbereitet werden. Auch die Betriebe werden gecoacht: bestehende Bedenken und Vorurteile sollen im Voraus abgebaut werden. Um interkulturelle Konflikte zu vermeiden und mögliche Schwierigkeiten zu meistern, werden die Praktikanten jeweils von einem erfahrenen Mitarbeiter, einem sogenannten Mentor begleitet.
Rap for Refugees
Integration im Takt der Zeit: Im Rahmen von kostenlosen Rap-, Beatbox- und Graffitiworkshops können Jugendliche mit prekären Lebensumständen, mit oder ohne Fluchthintergrund die Welt des Hip Hop entdecken. Dabei können sie nicht nur ihre Leidenschaft zu den unterschiedlichen Ausdrucksformen entdecken und auf der Bühne ihr Selbstwertgefühl stärken – sie bauen auch ihre sozialen Fähigkeiten aus und entdecken die kulturellen Werte, die man mit Hilfe des Hip Hops veranschaulichen kann.
R3SOLUTE
Bei R3SOLUTE erlernen geflüchtete Menschen in Gemeinschaftsunterkünften den Umgang mit Konflikten und auch mit eigenen Traumata. Wer will kann sich im Rahmen von persönlichem Coaching und Workshops selber zum Mediator, also zum Streitschlichter, ausbilden lassen und so arbeitsmarktqualifizierende Kompetenzen erlernen. Auch nach dem eigenen Aufenthalt in einer Gemeinschaftsunterkunft können die Mediatioren weiterhin dort als Vermittler arbeiten. Durch die sinnschaffende Tätigkeite gewinnen sie an Selbstbewusstsein Selbstbestimmung. Da die Workshopteilnehmer sehr häufig an posttraumatische Belastungsstörungen und Angsterkrankungen leiden, werden sie zudem durch das Programm M3NTAWARE unterstützt, das sich wie ein roter Faden durch das Training zieht. Vorhandende Ressourcen und Copingstrategien werden erforscht um den Umgang mit den komplexen psychologischen und sozialen Vorgängen zu erlernen.
Über den Tellerrand Kochen München e.V.
Bei „Über den Tellerand Kochen” sollen Menschen mit und ohne Fluchterfahrung sich in ungezwungener, lockerer Atomsphäre auf Augenhöhe kennenlernen. Beim gemeinsamen Kochen werden nicht nur Rezepte und Sprachkenntnisse ausgetauscht, sondern auch beidseitige Vorurteile abgebaut. Die soll nun in einem eigenen Café alltäglich werden: Das Café soll ein Ort der Begegnungen werden für Menschen mit unterschiedlicher Herkunft. Geflüchtete Menschen sollen dort nicht nur Angestellte sein, sondern auch Mitgestalter und Gastgeber.
WoW (With our Without) – mit oder ohne Kopftuch
WoW steht für Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt – vor allem der berufliche Erfolg von Frauen mit muslimischer Migrationsgeschichte soll gestärkt werden. Deswegen hat WoW ein Job-Ready-Programm entwickelt, in dem geflüchtete Frauen auf den deutschen Arbeitsmarkt vorbereitet werden. Die kostenlose Seminare und Workshops auf Deutsch und Englisch, die auf Anfrage auch auf Farsi, Arabisch oder Türkisch abgehalten werden können, beinhalten beispielsweise Disskussionsrunden und die Vermittlung von praktischen Fähigkeiten, die den Teilnehmerinnen neue Türen öffnen. Gleichzeitig richtet WoW sich auch an Arbeitgeberinnen und an die Gesellschaft: sie sollen mehr Offenheit und Vielfalt zulassen.