Das im 17. Jahrhundert erbaute Schloss thront mit seiner angrenzenden Kirche über der märchenhaften Landschaft der Gemeinde Béarn de Gaves, in Südwestfrankreich. Lange Zeit ist es im Besitz französischen Adels, bis sich die letzte Besitzerin, Madame Labbé 2003 dazu entschließt, das Anwesen an das deutsche Ehepaar Premauer zu verkaufen. Die Mission der neuen Besitzer: Liebe und Leben in das alte Gemäuer einkehren zu lassen und Kultur nach Orion zu bringen

Es ist noch früh am Morgen, als ich mich leise aus dem Bett stehle und das Fenster öffne. Draußen riecht es hochsommerlich nach frisch gemähtem Heu, die Blätter der großen Platane im Hof werden leicht im Wind geschaukelt, während die weitläufige Hügellandschaft in goldenes Morgenlicht getaucht ist. Die ersten Hausgäste frühstücken bereits Croissants mit Marmelade an kleinen, hübsch gedeckten Tischchen. Hofhund Téo liegt entspannt im weißen Kies und langsam erwacht das französische Schloss aus seinem Schönheitsschlaf. Bereits am ersten Tag unseres Urlaubs auf Chateau d´Orion weiß ich: dieser Ort hat etwas Magisches!

Fotos: Ross Harvey / Janna Marie Schwanemann

Die Gemeinschaft zählt: im Schloss trifft sich die Welt an einem Tisch

Nach einer langen Umbauzeit erstrahlt das Château nun seit einigen Jahren in neuem Glanz und empfängt Gäste aus aller Welt. Die einen kommen, um an Denkwochen und Seminaren teilzunehmen, andere sind auf der Durchreise und gönnen sich ein paar Übernachtungen in einem der hübschen Gästezimmer und wieder andere reisen an, um für kurz oder lang Teil der Château-Familie zu sein. So wie mein Mann, meine kleine Tochter und ich im Sommer 2018.

Obwohl wir bis zur Anreise Fremde für die Gastgeber sind, werden wir an diesem ersten Morgen so herzlich zum Frühstück empfangen, als wären wir alte Bekannte. Unter wolkenlosem Blau, mit Blick auf unendliches Grün gibt es frischgebackenes Brot von Schlossbäcker Etienne, niedliche Mini-Croissants (für die unsere Tochter ab sofort alles stehen und liegen lässt), selbstgemachte Marmelade und eine Käseauswahl zum Niederknien. Nachdem wir uns beim Anschneiden des Käses als typisch Deutsch geoutet haben, lernen wir: Niemals die Spitze abschneiden! Doch der Fauxpas wird mit einem Augenzwinkern hingenommen – wir sind nicht die ersten, denen das passiert.

Bevor wir in den nächsten Tagen Ausflüge zu verschiedenen Zielen in der Gegend machen, steht die Erkundung des Schlossgeländes auf dem Plan. Allein das Anwesen ist ein kleines Paradies für sich. Von bequemen Liegestühlen aus, genießen wir die Aussicht auf die malerische Szenerie: Weiße Charolais-Rinder grasen auf riesigen Weiden, ihre Glocken klingeln sanft bei jeder Bewegung, Grillen zirpen in der Mittagshitze, Katzen liegen geduldig vor ihren Mäuselöchern und das entspannende Geräusch des Mähdreschers komplettiert das Bilderbuch-Landleben. Anschließend spielen wir Boule auf dem dafür angelegten Platz. Im Château findet sich immer jemand, den man zu einer Partie herausfordern kann. Unsere Kleine spielt währenddessen zufrieden in einer Wasserwanne mit ihren Förmchen, mein Glücksgefühl steigt minütlich.

Fotos: Uwe Henkhaus / Klaus Mellenthin

Aber nicht nur Natur und Ruhe genießen wir während unseres Aufenthalts. Es gibt eine weitere Sache, die ich sehr bewundere: Mit welcher Hingabe jede einzelne Mahlzeit im Château gekocht und serviert wird. Selbst an Tagen, an denen viel los ist. Jedes Gericht ist schön bunt und mit Raffinesse zubereitet – sogar ein einfacher Salat schmeckt wie im Sterne-Restaurant. Auf saisonale und regionale Produkte legen die Premauers viel wert. Gemeinsames Essen wird im Schloss zelebriert, jeder nimmt sich gerne Zeit dafür. Abends plauscht man, bei einem oder zwei Gläsern Wein, nach dem Dinner oft noch bis spät in die Nacht hinein – mal über das Wetter, über Gleichberechtigung, die Europäische Union und andere politische Themen oder darüber, wo man die besten Tomaten bekommt. Je nach Tag und Besuch geschieht dies auf Französisch, Englisch, Deutsch oder einer Mischung aus allem. Das Schöne an diesen fröhlichen Gesprächsrunden: Jede Meinung zählt, jeder Tischnachbar ist wichtig und wird ernst genommen.

Naherholungsgebiet: Auch die unmittelbare Umgebung weiß zu beeindrucken

Doch nicht jeder möchte im Urlaub so weite Strecken auf sich nehmen. Daher die gute Nachricht: Auch die Gegend um Orion bietet fabelhafte Sehenswürdigkeiten – und ermöglicht zusätzlich Einblicke in das wirkliche, authentische Frankreich.

In nur zehn Minuten ist man mit dem Auto in der verschlafenen Gemeinde Sauveterre-de-Béarn. Von ihrem Turm Monreal aus führt eine lange Steintreppe hinunter zum Fluss Gave d´Oloron, dessen kristallklares Wasser an heißen Sommertagen die beste Abkühlung bringt. Wir setzen uns auf Liegestühle an der kleinen „Beachbar“ und genießen ein Eis, mit Blick auf Sauveterres Wahrzeichen – die Steinbrücke „Pont de la Legende“. Goethes Faust würde zu genau diesem Augenblick sagen: „Verweile doch! Du bist so schön!“

Besonders schön für Familien ist der „Pain de Sucre“ im nahegelegenen Salies-de-Béarn. Dieser nette Rundweg führt durch einen Wald, der von weitläufigen Tiergehegen gesäumt ist. Große und kleine Kinder beobachten hier Lamas, Schafe und Rehe. Uns aber gefallen hier vor allem die freilaufenden Esel, die sich gerne streicheln und füttern lassen. Und das ganze sogar Eintritt frei.

Freunde der französischen Küche finden in Laàs ihr Schlemmer-Mekka. In der Auberge de la Fontaine isst man die vermutlich beste Fischsuppe der Gegend, zartes Entenfleisch und eine Crème Brûlée der Extraklasse. Bei einem Drei-Gänge-Menü in dieser Gaststätte lernt man, warum es heißt: „Wie Gott in Frankreich leben.“

Fotos: Janna-Marie Schwanemann / Katharina Pflug

Der Nabel des Südwestens: Vom Château aus Frankreich entdecken

Zu dem Gesamtpaket d´Orion gehört aber nicht nur der Ort an sich, sondern auch seine unschlagbare Lage. Bereits nach einer knappen Stunde Anfahrt wandert man durch die Pyrenäen, stürzt sich ins kühle Nass am Meer oder genießt das bunte Treiben in einem der nahegelegenen französischen Städtchen. Der einzige Haken: Ohne (Miet-)Auto ist das Mobil sein ein wenig beschwerlich.

Einer der schönsten Meereszugänge, den ich in Europa bisher gesehen habe, ist der weitläufige Strand in Seignosse. Weißer, feinkörniger Sand so weit das Auge reicht und türkisfarbenes Wasser mit wilden Wellen, die besonders Surfer in ihren Bann ziehen. Kleine Strandhütten verkaufen Sandwiches und Wein und das Schöne an diesem Fleckchen Erde: Sogar in der Hochsaison findet jeder ein ruhiges Plätzchen nur für sich. Wer mit Baden gehen gerne auch einen Städtetrip verbindet, fährt nach Biarritz. Hier reihen sich Restaurants an Bars an Eisdielen – fußläufig zu Stadtstränden an der rauen Atlantikküste.

Absolut verzaubert hat uns das lebendige Küstenstädtchen San Sebastian, im Nachbarland Spanien. In den engen Gässchen herrscht wildes Treiben, hier gönnen sich Touristen und Einheimische das ein oder andere Fingerfood, in einer der unzähligen Pintxo-Bars der Stadt. Pintxos sind das baskische Pendant zu den allgemein bekannten Tapas – sie sind nur kleiner und werden in der Regel auf einem Stück Brot serviert. Was bei diesem köstlichen Brauch nicht fehlen darf ist das Glas Txakoli und geselliges Beisammensein. Wem zu heiß ist für eine ausgedehnte Shopping-Tour durch einladende Boutiquen, der springt an der Promenade ins Meer und kühlt sich ab.

Ausgezeichnet einkaufen kann man auch in Bayonne, Pau und in Bordeaux. Für die ersten beiden Städte reicht ein Tagesausflug allemal, um ihr jeweiliges Flair einzufangen. Doch für Bordeaux sollte man sich etwas Zeit nehmen. Diese charmante Hafenstadt mit ihren einladenden Weinbars und Restaurants zeigt besonders an lauen Sommerabenden wie das schöne Leben geht. Bei Sonnenuntergang lauschen wir am Börsenplatz den melancholischen Klängen einer Straßenmusikerin, beobachten Kinder wie sie fröhlich ihre Füße auf dem überfluteten Platz „Miroir D`Eau“ kühlen und haben Tränen in den Augen, als wir zufällig Zeugen eines Heiratsantrags werden. Wer könnte in dieser romantischen Stadt nicht vor Gefühlen übersprudeln?

Doch der Geheimtipp an sich (der vermutlich nicht mehr so geheim ist), ist die Wanderdüne Dune du Pilat an der Atlantikküste bei Arcachon. Diese größte Wanderdüne Europas ist fast drei Kilometer lang und sieht absolut surreal aus, wie sie inmitten eines riesigen Waldes aus der Erde wächst. Oben angelangt fühlt man sich wie in der Wüste – nur mit einem etwas anderen Ausblick. Auf der einen Seite schaut man in ein Meer aus Bäumen, während die andere Seite einen einmaligen Blick auf die Bucht Bassin d ´Arcachon frei gibt. Dieses Wunder der Natur muss man gesehen haben.

Fotos: Lars Boesel / Katharina Pflug

Kein Abschied, aber ein auf Wiedersehen

Wieder Zuhause angekommen, zehre ich noch immer von der schönen Auszeit auf dem Schlösschen. Es gibt Urlaube, an die man sehr lange gerne zurückdenkt. Die Bilder und Begegnungen bleiben nicht nur im Kopf, sondern auch im Herz. Wie man es auch dreht und wendet: An einem Besuch im Château d´Orion und der sagenhaften Umgebung führt für Freunde des guten Lebens kein Weg vorbei. Ich hoffe, ich darf auch in Zukunft noch einmal früh morgens ein Fenster im Château öffnen, um den Duft des französischen Sommers einzuatmen.