Noch immer gelingt nur wenigen Kindern aus sozial schwachen Familien in Deutschland der soziale Aufstieg durch Bildung. Ein wichtiger Grund: Erfolg braucht Motivation, und Motivation braucht ein konkretes Ziel. Die Hamburger Weekendschool will diesen Kindern die volle Bandbreite der eigenen Möglichkeiten zeigen und so Pessimismus und Perspektivlosigkeit bekämpfen

Chancengleichheit in der Bildung ist in Deutschland noch immer mehr Ideal als Wirklichkeit. Immer wieder bestätigen Studien, wie stark die soziale Herkunft eines Menschen seine Bildungslaufbahn beeinflusst. So schließen beispielsweise mehr als die Hälfte aller Kinder von Akademikern erfolgreich ein Studium ab, während dies nur jedem zehnten Kind von Hauptschulabsolventen gelingt. 

Ein wichtiger Grund für diese Unterschiede: Erfolg braucht Motivation und Motivation braucht ein konkretes Ziel. Hier spielt das soziale Umfeld eine große Rolle, weil Kinder sich häufig an den Erwachsenen im Bekanntenkreis oder der eigenen Familie orientieren. Wer mit einem sozial schwachen Hintergrund aufwächst, findet allerdings häufig nur ein sehr eingeschränktes Spektrum an Vorbildern im persönlichen Umfeld. Auf diesem Weg werden Perspektivlosigkeit und Pessimismus bezüglich der eigenen Bildungschancen von Generation zu Generation weitergegeben.

Politiker, Astronaut oder Elektriker?

Die Hamburger Weekendschool will diesen Teufelskreis durchbrechen, indem sie Kindern aus Stadtteilen mit einem niedrigen Sozialindex die volle Bandbreite der eigenen Möglichkeiten vor Augen führt. So sollen sie für ihre Chancen begeistert und damit in die Lage versetzt werden, ihre berufliche Zukunft selbst bestimmen zu können. Außerdem wird ihnen auf diesem Weg ein Stück des Selbstwertgefühls zurückgegeben, das viele von ihnen im regulären Bildungssystem schon in jungen Jahren verloren haben.

Jeden Samstag lernen die Teilnehmer der Weekendschool in dreistündigen Sitzungen spannende Berufe kennen und erfahren, wie der Weg in diese Berufsfelder gelingen kann. Dazu kommen ehrenamtliche Dozenten in die Schule und berichten von ihrem Berufsalltag, ihrer professionellen Laufbahn und den eigenen Träumen in der Jugend. So treffen die Kinder Politiker, Schauspieler und Astronauten, aber auch Bäcker, Tischler und Elektriker  eine Bandbreite an Perspektiven also, die sie sonst vielleicht nicht einmal in Betracht gezogen hätten. 

Ergänzt wird das Programm durch praktische Workshops und Exkursionen an die möglichen Arbeitsplätze ihrer Zukunft. Das Programm läuft über drei Schuljahre und richtet sich an Schüler zwischen 10 und 14 Jahren an den teilnehmenden Schulen. Die Teilnahme am Samstagsunterricht ist freiwillig, doch die Plätze sind begehrt.

Erfolgsmodell aus den Niederlanden

Das Konzept der Weekendschool stammt ursprünglich aus den Niederlanden. Die Psychologin Heleen Terwijn gründete 1998 die erste Schule dieser Art in Amsterdam. „Die Schüler gehen zur Schule ‚um für später zu lernen‘, aber niemand zeigt ihnen, was ’später‘ auch tatsächlich heißt“, so Terwijn über ihre Beweggründe. Der Ansatz stieß schnell auf Begeisterung: Heute berichten etwa 3500 Gastdozenten an zehn Standorten in den Niederlanden über ihren Berufsalltag.

In Deutschland ist die Weekendschool dagegen gerade erst gestartet. Im März 2018 nahm der erste Standort an der Stadtteilschule Wilhelmsburg in Hamburg den Unterricht auf. Dort wird die Arbeit der Weekendschool zudem von Studenten des Projektbüros für Angewandte Sozialforschung der Universität Hamburg evaluiert. Ein zweiter Standort soll im Schuljahr 2018/19 eröffnet werden.