Anne Sliwka ist Professorin für Bildungswissenschaft an der Universität Heidelberg. Als Impulsgeberin auf dem EduAction Bildungsgipfel 2018 diskutiert sie sowohl über „Deeper Learning“ als Antwort auf Künstliche Intelligenz, wie auch über die bessere Einbindung der Eltern bei der Entwicklung von Zukunftskompetenzen. Uns hat sie dazu vorab drei Fragen beantwortet

Frau Professorin Sliwka, früher las man nur in Science-Fiction-Büchern, dass die Roboter die Macht übernehmen könnten. Heute ist das Szenario, dass intelligente Maschinen Arbeitsplätze wegnehmen, ganz real. Sie stellen dem gegenüber, dass der Mensch der Maschine in Bereichen wie Sozialkompetenz, komplexem Problemlösen und Kreativität immer noch überlegen ist; und dass es sogar diese Fähigkeiten seien, „durch die Kinder und Jugendliche Zufriedenheit, Selbstbestimmung und soziale Zugehörigkeit erleben.“ Das klingt, als sei die Automatisierung nicht nur für die Unternehmen und Verbraucher, sondern auch für die arbeitende Bevölkerung eine große Chance.

Eine Chance und ein Risiko zugleich. In der Digitalisierung und der Automatisierung steckt ein riesiges Potential zur Verbesserung der Lebensbedingungen vieler Menschen. Aber um diesen Prozess für möglichst alle gewinnbringend gestalten zu können, müssen wir jetzt unsere Bildungssysteme erneuern, denn sie sind in vielerlei Hinsicht auf die digitalisierte und globalisierte Welt nicht vorbereitet, sondern stecken noch in den Denk- und Handlungsmustern des 19. Jahrhunderts

Sie sagen, Schulen müssten durch ein „tieferes Lernen“ mehr für die beschriebene Persönlichkeitsentwicklung tun. Wie muss man sich dieses tiefere Lernen vorstellen?

In der Grundschulbildung wird es in der Zukunft verstärkt darum gehen, die Grundfertigkeiten auf hohem Niveau zu vermitteln. Lesen, Schreiben und Rechnen – das sind die Grundlagen aller weiterführenden kognitiven Prozesse. Wir müssen besser darin werden, ALLEN Kindern diese Grundbausteine mit auf ihren Weg zu geben. An den weiterführenden Schulen kann dann mit diesen Fähigkeiten ganz anders gearbeitet werden als bisher. Das ist das, was wir unter „tieferem Lernen“ verstehen: Lehrkräfte vermitteln zentrale Konzepte des fachlichen Wissens (Instruktion) und Schülerinnen und Schüler arbeiten dann problemlösend, kreativ und in Teams mit diesem Wissen (Ko-Konstruktion).

Die Digitalisierung ermöglicht sowohl in der instruktiven Phase des Unterrichts als auch in der Phase der Ko-Konstruktion ganz andere Arbeitsprozesse. Die Schülerinnen und Schüler eignen sich Wissen an, indem sie damit so arbeiten, wie Arbeitsprozesse im 21. Jahrhundert oft aussehen. Eben nicht mehr alleine über dem weißen Blatt Papier, sondern im Team, in der aktiven Auseinandersetzung mit dem Wissen der Welt und unter Nutzung sämtlicher Möglichkeiten der Digitalisierung. Das bedeutet übrigens keineswegs, dass alle immer am Tablet sind. Im Gegenteil: Die Welt kommt auch auf ganz andere Art und Weise in die Schulen und die Schülerinnen und Schüler gehen raus in die Welt.

Bei einem Ihrer Impulse auf dem EduAction Bildungsgipfel geht es darum, wie Schule und Eltern bei der Vermittlung von Zukunftskompetenzen zusammenarbeiten können. Im Grunde spielte das familiäre Umfeld ja schon immer eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung von Kompetenzen, ob es nun ums Lesen, Musik, Sport oder auch soziale Kompetenzen ging. Hat sich hier im 21. Jahrhundert etwas geändert? Und gibt es neue Ansätze, wie die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule hier noch besser gelingen kann?

In einigen besonders innovativen Ländern können wir schon sehen, dass Schule und Eltern ganz anders als hierzulande zusammenwirken. Sie verstehen sich als gleichberechtigte Partner in der Sicherung von Bildungsprozessen und kooperieren in hohem Maße. Dazu müssen ganz andere Formate des Dialogs entwickelt werden als das angestaubte Modell des „Elternabends“. Da sind Kanada und Finnland schon viel weiter als wir.

Prof. Dr. Anne Sliwka ist Impulsgeberin beim EduAction Bildungsgipfel 2018. Tickets für den Bildungsgipfel und weitere Infos gibt es hier.